Überraschungs-Coup oder Olympiatourismus - Fährt ein Bayer für Amerikanisch-Samoa zu den Olympischen Spielen 2020?

Bisher ist es den deutschen 470er-Männerteams noch nicht gelungen den Nationenstartplatz für die Olympischen Spiele in Tokio zu sichern. Nun scheint es, dass eine Lücke im Qualifikationssystem und zwei clevere Außenseiter den deutschen 470er-Seglern einen weiteren Strich durch die Rechnung gemacht haben. Die Frage die sich viele stellen lautet: Sollen nur Mannschaften nach Enoshima fahren, die sich richtig reinhängen oder darf man die Lücken im System ausnutzen und die Spiele 2020 quasi als "Olympiatourist" besuchen?

470erworlds

Zurück zum Anfang: Trotz guter Leistungen und der Fähigkeit mit den anderen Nationen auf Augenhöhe zu segeln, konnten die deutschen 470er-Männerteams bisher keine der Qualifikationsregatten auf einem der begehrten Nationenstartplätze beenden, auch wenn es mehrfach sehr eng war. Nun bleibt als letzte Qualifikationsmöglichkeit der Sailing World Cup in Genua, Italien, bei dem das letzte verbleibende Nationenticket vergeben wird. Keine einfache Situation, nachdem mehrere starke europäische Nationen bisher noch nicht qualifiziert sind. Zwar gelang es Simon Diesch (Friedrichshafen) und Vorschoter Philipp Autenrieth (Bayerischer YC) in Miami die Konkurrenz aus Österreich, Portugal, der Schweiz und Ungarn hinter sich zu lassen, aber Genua gilt als schwieriges Revier, das den deutschen Seglern nicht unbedingt liegt.

Aufgrund des vom Weltsegelverband World Sailing mit dem Internationalen Olympischen Komitee abgestimmten Qualifikationssystems gab es jedoch bis vor Kurzem noch eine weitere Chance. Für den Fall, dass der Kontinentalplatz für Ozeanien von keiner Mannschaft ersegelt bzw. in Anspruch genommen wird, würde dieser Platz verfallen und die nächstbeste Nationen der Weltmeisterschaft nachrücken - dies wären die Deutschen gewesen.

Nun hat aber wohl ein ehemaliger Segelkollege und Vereinskamerad von Philipp Autenrieth einen einfachen Weg zu den Olympischen Spielen für sich entdeckt und damit den deutschen Männern vermutlich die Tour vermasselt. Bei der Qualifikationsregatta im australischen Melbourne waren zwei 470er am Start, ein gemischtes Team, das damit nicht für den Nationenstartplatz in Frage kam und eine neu gebildete Mannschaft, die nach einer Woche Training am Starnberger See, für Amerikanisch-Samoa an den Start ging.

Pikant an der Situation: Bei dem Team, das sich den Startplatz sicherte handelt es sich um Tyler Paige (USA) und Adrian Hoesch (Bayerischer YC), der einen amerikanischen Pass besitzt. Ausgerechnet Hoesch, der für den Bayerischen Yacht-Club in der Segelbundesliga aktiv ist und 2013 gemeinsam mit Julian Autenrieth Bronze bei der 470er-Junioreneuropameisterschaft holte, könnte also mit seinem Coup dafür gesorgt haben, dass viele Wasser- und Trainingsstunden und die Investitionen von Verband und Verein letzendlich umsonst waren.

Adrian Hoesch

Das sorgt natürlich für Diskussion in Verein, Verband und bei den Seglerinnen und Seglern. Hoesch selbst sieht "eine einmalige Chance", da er gerade Zeit für die Vorbereitung habe und derzeit das optimale Gewicht als Vorschoter habe. Für die Spiele selbst dürfte das Team jedoch eher unter die Kategorie "Kanonenfutter" fallen, da es nur wenige Exoten in das hochklassig besetzte Feld geschafft haben.

Ob der Coup letztendlich gelungen ist, steht aktuell noch nicht fest. Der Weltverband prüft derzeit, ob eine Benennung erfolgen kann, da sich von verschiedener Seite Widerstand gegen den "easy way" regt. Und auch Vereinskollege Philipp Autenrieth kann der Art und Weise nichts abgewinnen. "Ich gehe den normalen Weg eines Sportlers, nicht den Weg eines Touristen.", sagt Autenrieth über den Weg von Hoesch.

So bleibt am Ende die Frage, ob es um das "Dabeisein" geht oder um hochklassigen Sport und ob die Idee, möglichst vielen Nationen den Start bei den Olympischen Spielen zu ermöglichen, mit derartigen Schlupflöchern nicht konterkariert wird.

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